Libelloides coccajus (Libellen-Schmetterlingshaft) (Dennis & Schiffermüller, 1775)

Verbreitung in Deutschland: Libelloides coccajus ist in seiner Verbreitung auf das südliche Deutschland beschränkt. Vorkommen sind aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg belegt (Fetz 1999, Niehuis 2006, Wolf 2005, Werno 2014). Vorkommensschwerpunkte sind hierbei die wärmebegünstigten Lagen mit Weinbauklima und entsprechenden Trockenhängen, z. B. Mittelrheintal, Rheingau, Nahetal, Moseltal, Tauberland, Marktheidenfelder Platten, Altmühltal oder Kaiserstuhl. Aus Thüringen existieren nur Nachweise älteren Datums (Kleinsteuber 1974). Im westlich an die südliche Oberrheinebene angrenzenden Elsass ist die Art ebenfalls verbreitet (Treiber 2003).

Verbreitung in Baden-Württemberg: Verbreitungsschwerpunkte in Baden-Württemberg sind das Tauberland und die Kocher-Jagst-Region, der Nordtrauf der mittleren und östlichen Schwäbischen Alb, einige Bereiche der Albhochfläche, Oberes Donautal mit Hegau und Alb-Wutach-Gebiet, das Albvorland (Südhänge des Spitzbergs und Rammerts) sowie der Kaiserstuhl mit südlicher Oberrheinebene (Stork 2021). Zwischenzeitlich isolierte Einzelvorkommen existieren auch im mittleren und südlichen Schwarzwald (Utzenfluh und Todtnauberg), am oberen Neckar (Raum Rottweil) und im Kochertal (Treiber 2003, Tröger 2005). Es ist nicht bekannt, ob all diese ehemals belegten Vorkommen noch aktuell sind, was eher unwahrscheinlich sein dürfte. Zweifelhafte Einzelnachweise gibt es auch aus Oberschwaben mit württembergischen Allgäu.

Habitatansprüche: In Baden-Württemberg werden von L. coccajus zwei Habitattypen besiedelt. Dies sind zum einen Trockenrasen im weiteren Sinne, z. B. ehemals weinbaulich genutzte Trockenhänge mit Lesesteinmauern im Albvorland oder flachgründige, lückige und rohbodenreiche Wacholderheiden am Albtrauf, teilweise kombiniert mit kleinflächigen Erdaufschlüssen. Zum anderen werden von einer gewissen Dynamik geprägte Schutthalden mit hohem Rohbodenanteil besiedelt. Hierzu zählen sehr steile Steppenheidewälder am Albtrauf, durch Naturschutzmahd offen gehaltene Steilhänge im Oberen Donautal sowie aufgelassene Steinbrüche auf der Schwäbischen Alb (Bamann et al. 2022). Eine intermediäre Stellung nimmt das NSG Kleines Lautertal auf der Schwäbischen Alb ein, das durch seine Kombination aus flachgründigen Magerrasen und kleinflächigen Schutt- und Felsbereichen besonders gut geeignet für die Art ist. Der Libellen-Schmetterlingshaft legt seine Eigelege an mikroklimatisch begünstigten Stellen meist über Roh- oder Offenboden ab, da Eier und Larven hohe Temperatursummen für eine erfolgreiche Entwicklung benötigen. Es müssen daher voll besonnte, roh- und offenbodenreiche Stellen im Habitat vorhanden sein. Der Wärmeanspruch scheint im kälteren Klima der Schwäbischen Alb höher zu sein als etwa im Albvorland, wo die Art auch in Magerrasen mit vergleichsweise geringen Anteilen an Offenboden vorkommt (Bamann et al. 2022). Vergleichbare Ansprüche stellt die Art auch in anderen Regionen Deutschlands sowie im Kanton Aargau in der Schweiz, wo sie teilweise intensiv untersucht wurde (Fetz 1999, Wolf 2004, Müller et al. 2012, 2013).

Gefährdung/Schutz: RL BW: Gefährdet (Tröger 1992). Der Libellen-Schmetterlingshaft wurde in einer vorläufigen Roten Liste der Netzflügler bereits Anfang der 1990er-Jahre als gefährdet eingestuft. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sich die Gefährdungssituation verschärft, sodass eine Einstufung als stark gefährdet gerechtfertigt erscheint. Die Art verliert durch Nutzungsaufgabe und nachfolgende Sukzession an Lebensraum (Fetz 2002). Gerade sehr steile, schwierig zu bewirtschaftende Standorte mit größeren Schutt- oder Offenbodenbereichen fallen zunehmend aus der Nutzung (Bamann et al. 2022). Auch die ehemals sehr lichten Steppenheidewälder wachsen aufgrund von fehlender Nutzung (z. B. Brennholzentnahme, Beweidung) zu. Zum Schutz von L. coccajus muss die Entnahme von Gehölzen, insbesondere an steilen, unzugänglichen Standorten, deutlich intensiviert werden. Diese Stellen bieten häufig den Vorteil, dass sie aufgrund ihres extremen Charakters nur langsam wieder zuwachsen. Beweidung und Mahd müssen mit der regelmäßigen Entnahme von Gehölzen kombiniert werden. Die Gehölzentnahme schafft zudem gleichzeitig neue, dringend benötigte Offenbodenstellen. Die Entnahme vor Gehölzen darf auch nicht vor den Steppenheidewäldern und Felskomplexen halt machen. Derartige Standorte dürfen keinesfalls als Bannwälder oder Waldrefugien ausgewiesen werden, es muss eine sporadische Nutzung etabliert werden. Diese Maßnahme hilft neben dem Libellen-Schmetterlingshaft weiteren hochgradig gefährdeten Arten wie Berglaubsänger (Phylloscopus bonelli), Bergkronwicken-Widderchen (Zygaena fausta) oder Elegans-Widderchen (Zygaena angelicae elegans).

Eignung als Indikatorart: L. coccajus ist ein sehr guter Indikator für roh- und offenbodenreiche, flachgründige Magerrasen sowie für schutt- und felsdurchsetzte Steilhänge.

Bestimmung: In Baden-Württemberg kommt am Kaiserstuhl und im Tauberland mit dem noch selteneren Langfühler-Schmetterlingshaft (Libelloides longicornis) eine weitere Libelloides-Art vor. Im Gegensatz zu L. coccajus besitzt L. longicornis die namensgebenden, längeren Fühler, eine kräftigere Gelbfärbung und ein sichelförmiges, dreieckiges Flügelmal auf der Hinterflügeloberseite.

Quellen für diese Seite:

Bamann, T., Anthes, N. & N. Stork (2022): Der Libellen-Schmetterlingshaft in Südwestdeutschland. - Habitatansprüche, Gefährdung, Schutz. - Naturschutz und Landschaftsplanung 54 (9): 14-23.

Fetz, R. (1999): Untersuchungen zur Biologie und Habitatoptimierung von Libelloides coccajus (Neuroptera: Ascalaphidae) auf Muschelkalkhängen des Taubertales bei Rothenburg o. d. T. - Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Augsburg.

Fetz, R. (2002): Zoologische Aspekte des Magerrasen-Managements am Beispiel des Libellen-Schmetterlingshafts (Libelloides coccajus). - Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Augsburg.

Kleinsteuber, E. (1974): Verzeichnis der im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik bisher festgestellten Neuropteren (Neuropteroidea: Megaloptera, Raphidioptera et Planipennia). - Entomologische Nachrichten 18 (10): 145-153. Dresden.

Müller, M., Schlegel, J., Krüsi, B. O. (2012): Der Libellen-Schmetterlingshaft im Kanton Aargau: Aktuelles Vorkommen und Empfehlungen zum Artenschutz. The Owly Sulphur Libelloides coccajus in the canton of Aargau: actual distribution and recommendations for species conservation.

Müller, M., Krüsi, B .O., Schlegel, J. (2013): Raumnutzung des Libellen-Schmetterlingshafts nördlich der Alpen – Folgerungen für den Artenschutz. Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (1): 21-28.

Niehuis, M. (2006): Der Libellen-Schmetterlingshaft (Libelloides coccajus) (Dennis et Schiffermüller, 1775) - in Rheinland-Pfalz und Hessen (Netzflügler [Neuroptera = Planipennia]: Ascalaphidae). - Fauna Flora Rheinland-Pfalz 10 (4): 1267-1302.

Stork, N. (2021): Untersuchungen zu Verbreitung und Habitatansprüchen von Libelloides coccajus (Denis & Schiffermüller, 1775). Der Libellen-Schmetterlingshaft im Regierungsbezirk Tübingen. -  Masterarbeit an der PH Karlsruhe, 153 S.

Treiber, R. (2003): Die Libellen-Schmetterlingshaft (Libelloides coccajus) in der südelsässischen Hardt (Frankreich, Haut-Rhin). - Mitteilungen des badischen Landesvereins für Naturkunde und Naturschutz 18 (2): 223-225.

Tröger, E.-J. (2005): Baden-Württembergische UTM-Verbreitungskarte von Libelloides coccajus und Libelloides longicornis. - Erhalten von E.-J. Tröger am 01. 05.2020.

Wolf, W. (2004): Imaginalbiologie und Überleben isolierter Kleinpopulationen des Libellen-Schmetterlingshaft Libelloides coccajus im bayerischen Taubertal nördlich Rothenburg o. d. Tauber. - Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Abt. Entomofaunistik, Augsburg 6: 255-271.

Wolf, W. (2005): Der Libellen-Schmetterlingshaft Libelloides coccajus im bayerischen Taubertal – Lebensraum, Ansprüche, Entwicklungsdaten. - Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege, Laufen.

 

Männchen des Libellen-Schmetterlingshafts (Libelloides coccajus), zu erkennen an den zangenartigen Hinterleibsfortsätzen, Albvorland (NSG Hirschauer Berg), April 2011.

 

Weibchen von L. coccajus im Albvorland (NSG Hirschauer Berg), April 2014.

 

Mit zusammengeklappten Flügeln ruhendes Exemplar des Libellen-Schmetterlingshafts im Albvorland (NSG Hirschauer Berg), April 2011.

 

Kopula von L. coccajus im Albvorland (Tübingen), Mai 2019.

 

Frisch geschlüpfter Libellen-Schmetterlingshaft, bei dem sich die Flügel erst noch entfalten müssen, Albvorland (NSG Hirschauer Berg), April 2011.

 

Recht frisches Eigelege von L. coccajus im Oberen Donautal (Hausen im Tal), Juni 2020.

 

Älteres Eigelege mit bereits etwas dunkleren Eiern im Oberen Donautal (Hausen im Tal), Juni 2020.

 

Typische Fundsituation eines Eigeleges über Rohboden im Oberen Donautal (Hausen im Tal), Juni 2020.

 

Weiteres, charakteristisches Fundbild eines Geleges im Oberen Donautal (Hausen im Tal), Juni 2020.

 

Diese Ameise macht sich an einer gerade schlüpfenden Larve des Libellen-Schmetterlingshaft zu schaffen, Albvorland (Öschingen), Juni 2020.

 

Schlüpfende Larven auf der Schwäbischen Alb (NSG Kleines Lautertal), Juni 2020.

 

Detailblick auf die schlüpfenden Larven auf der Schwäbischen Alb (NSG Kleines Lautertal), Juni 2020.

 

Junglarve mit den charakteristischen Zangen im Albvorland (NSG Hirschauer Berg), Juli 2020.

 

Gut getarnte, jüngere Larve von L. coccajus im Albvorland (NSG Hirschauer Berg), Juli 2020.

 

Überwinterte, ältere Larve des Libellen-Schmetterlingshafts zwischen Schutt lauernd im Albvorland (Öschingen), Juli 2020.

 

Blick ins Mikrohabitat mit Eigelege im Vordergrund im Albvorland (Öschingen), Juni 2020.

 

Eiablagehabitat im Vordergrund auf der Schwäbischen Alb (NSG Kleines Lautertal), Juni 2020.

 

Eiablagehabitat auf der Südwestalb (Nusplingen); steinig-schüttere Bereiche in einer sehr steilen Wacholderheide.

 

Lichter Steppenheidewald und Schutthalden am Albtrauf (Öschingen) als Habitat von L. coccajus.

 

Ehemalige Abbaustelle und angrenzende Magerrasen als Lebensraum des Libellen-Schmetterlingshafts auf der Schwäbischen Alb (Zwiefalten).

 

Aus Naturschutzgründen durch Mahd offen gehaltener Steilhang im Oberen Donautal (Hausen im Tal) als Habitat von L. coccajus.

 

Gut besiedeltes Habitat am nördlichen Albtrauf (NSG Wonhalde-Spielberg) mit sehr schütteren, steinigen und steilen Magerrasen.

 

Mittels Mahd offen gehaltener Steilhang mit alten Weinbergsmauern im Albvorland (NSG Hirschauer Berg), Habitat von L. coccajus.

 

Habitat einer sehr kleinen Restpopulation von L. coccajus im Albvorland (NSG Rappenberg); Halbtrockenrasen und Magerwiesen ohne allzu extreme Anteile.

 

Schematische Verbreitung von L. coccajus in Baden-Württemberg:

Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen

Schwarze Punkte: Eigene Nachweise Stand 2022

                                                   

Übersicht