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Elsass 2019

Nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, wurden im Elsass in den 1970er-Jahren an drei Lokalitäten Aspisvipern (Vipera aspis) und an zwei Lokalitäten Kreuzottern (Vipera berus) eingeführt. Die Aussetzungen erfolgten professionell über mehrere Jahre und umfassten mehrere hundert Individuen der Aspisviper aus unterschiedlichen Regionen sowie wenige Kreuzottern. Die jüngsten Nachweise der Kreuzotter stammen aus der Gegend um Lapoutroie, wo sie letztmals im Jahre 2010 bestätigt wurde. Die Aspisviper wurde an drei Lokaliäten bei Ribeauvillé (1973), bei Bonhomme (1979) und am Bollenberg bei Rouffach (1987) ausgesetzt. Während es aus der Region um Bonhomme keine neueren Nachweise gibt, besiedelt die Art bei Ribeauvillé aktuell ein ca. 50 Hektar umfassendes Gebiet, während es am Bollenberg sogar 150 Hektar sind.

Das Klima im Elsass ist mild und die aktuell besiedelten Gebiete liegen im Regenschatten der Vogesen, sodass sie grundsätzlich gut als Lebensräume für die Aspisviper geeignet sind. Während bei Ribeauvillé primär Lesesteinmauern und Böschungen innerhalb bewirtschafteter Weinberge besiedelt werden, sind es am Bollenberg Saumbereiche von Hecken und Steinriegeln entlang der großflächigen Trockenrasen. Der Bollenberg gilt als der größte Volltrockenrasen Mitteleuropas und hat neben der Apsisviper zahlreiche weitere Spezialisten wärme- und trockenheitsliebender Arten zu bieten. Unter den Schmetterlingen sind hier beispielsweise das Südwestdeutsche Grünwidderchen (Adscita mannii), das Trauerwidderchen (Aglaope infausta), das Heide-Grünwidderchen (Rhagades pruni) oder der Steppenheiden-Würfeldickkopffalter (Pyrgus carthami) zu nennen. Unter den Heuschrecken sind etwa Italienische Schönschrecke (Calliptamus italicus), Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) und Westliche Sattelschrecke (Ephippigger diurnus) vertreten. Eine weitere Besonderheit ist der Fanghaft (Mantispa styriaca). Unter den Reptilien kommen Westliche Smaragdeidechse (Lacerta bilineata), Mauereidechse (Podarcis muralis), Blindschleiche (Anguis fragilis) und Schlingnatter (Coronella austriaca) am Bollenberg individuenreich vor.

Im Jahr 2019 besuchten wir zu unterschiedlichen Jahreszeiten an insgesamt vier Terminen den Bollenberg und die Weinberge um Ribeauvillé. Da die Suche nach Aspisvipern dabei nur einen Teil des Inhalts der Ausflüge darstellen sollte, unternahmen wir diese relativ unabhängig von geeigneten Wetterbedingungen.

 

1. Trip: April 2019

Am 28.04.2019 waren wir das erste Mal am Bollenberg. Die Witterungsbedingungen: Es war windig und kühl bei ca. 14 °C Lufttemperatur, die Sonne zeigte sich nur selten, teilweise nieselte es sogar. Ohne viel Hoffnung auf einen Nachweis der Aspisviper machten wir uns auf die Suche - wir waren ja sowieso schon da. Wir suchten nur wenige Meter einer nach Süden ausgerichteten Hecke ab und fanden zu unserer Überraschung bereits unser erstes Individuum, das versuchte, gut geschützt von der Vegetation, die wenigen Sonnenstrahlen aufzunehmen. Mit nun deutlich gesteigerter Motivation kartierten wir die umgebenden Säume und waren erfolgreicher als wir uns das hätten vorstellen können. Insgesamt fanden wir innerhalb von zwei Stunden 18 Aspisvipern, eine Anzahl, die man beispielsweise im Südschwarzwald kaum innerhalb eines ganzen Wochenendes erreichen kann. Beeindruckend war die Variation in Färbung und Zeichnung der Individuen, die wahrscheinlich auf den unterschiedlichen Ursprung der Individuen zurückzuführen ist. Während die meisten Tiere der Nominatform V. a. aspis nahe kommen, gibt es auch immer wieder Individuen mit stark ausgeprägter Fleckung, die der nicht mehr validen Unterart V. a. atra entsprechen. Neben der Aspisviper waren auch zahlreiche Westliche Smaragdeidechsen und Mauereidechsen sowie eine Blindschleiche aktiv.

 

Charakteristischer Ausschnitt des Habitats der Aspisviper (Vipera aspis) am Bollenberg im zeitigen Frühjahr; die Art hält sich bevorzugt entlang der Steinriegel und Gebüschsäume auf.

 

Gut versteckt im lückigen Gras und direkt am Saum zu angrenzenden Gebüschen oder Steinriegeln, in die sie sich bei Gefahr zurückziehen können, sonnten sich die Individuen.

 

 

Dieses ausgewachsene Tier sonnte sich in einem Steinriegel; es zeigt die Zeichnung der Nominatform.

 

Ein kräftiges, braunes Weibchen, das gut versteckt im Gebüschsaum lag.

 

Weiterer Habitatausschnitt, besiedelt werden sowohl die Steinriegel im Vordergrund als auch die Gebüschsäume im Hintergrund.

 

Dunkel gefärbtes Exemplar, ebenfalls mit der Zeichnung der Nominatform.

 

Leicht rötlich gefärbtes Männchen mit kräftigen, schwarzen Barren, die mehr an die ehemalige Unterart V. a. atra erinnern.

 

Ebenfalls gut versteckt im frischen Grün waren die zahlreichen Westlichen Smaragdeidechsen (Lacerta bilineata), hier ein Weibchen.

 

Ein kräftiges Männchen der Westlichen Smaragdeidechse.

 

Ein weiteres Männchen in absoluter Prachtfärbung zur Paarungszeit im April.

 

Sich sonnende, subadulte Mauereidechse (Podarcis muralis) am Bollenberg.

 

2. Trip: Mai 2019

Am 27.05.2019 waren wir nochmals am Bollenberg, allerdings mit einer anderen Zielsetzung als die Suche nach der Aspisviper. Unsere Aufmerksamkeit galt vor allem den Insekten, von denen wir dann auch einige Besonderheiten entdecken konnten. Darunter etwa die in Baden-Württemberg wahrscheinlich bereits ausgestorbenen Arten Südwestdeutsches Grünwidderchen (Adscita mannii) und Steppenheiden-Würfeldickkopffalter (Pyrgus carthami). Daneben fanden wir unzählige Raupen des Heide-Grünwidderchens (Rhagades pruni) und des Trauerwidderchens (Aglaope infausta). Von der Aspisviper konnten wir bei recht warmer (22 °C) und wechselhafter Witterung nur ein einzelnes Weibchen im Nordteil des Bollenbergs nachweisen. Auch in einem benachbarten Gebiet, dem Zinnköpfle, konnten wir keine Aspisviper finden.

 

Habitat des Südwestdeutschen Grünwidderchens (Adscita mannii) und des Steppenheiden-Würfeldickkopffalters (Pyrgus carthami) am Bollenberg.

 

Männchen des Südwestdeutschen Grünwidderchens saugend an Kugelblume.

 

Fast ausgewachsene, fressende Raupe des Heide-Grünwidderchens am Bollenberg.

 

Die Larven des Heide-Grünwidderchens waren teilweise so massenhaft vertreten, dass es zum Kahlfraß an Schlehen kam.

 

Ruhendes Weibchen des Steppenheiden-Würfeldickkopffalters.

 

3. Trip: Anfang Oktober 2019

Am 04.10.2019 unternahmen wir einen weiteren Ausflug ins Elsass, der uns dieses Mal nach Ribeauvillé führen sollte. Die Wettervorhersage war wiederum ziemlich schlecht, was sich am ersten Nachmittag auch bestätigte. Wolken und Nieselregen wechselten sich mit nur wenigen Minuten Sonnenschein ab und das bei Temperaturen um 15 °C. In der Nähe der Burg konnten wir immerhin ein Weibchen der Westlichen Sattelschrecke finden. An einen Nachweis der Aspisviper glaubten wir nach zweistündiger vergeblicher Suche jedoch kaum mehr, bis wir in den Weinbergen nördlich des Ortes doch noch ein Jungtier in einer Rebböschung und ein adultes Männchen in einer Lesesteinmauer fanden. Bis zum Abend hin hatte es sich dann endgültig eingeregnet und auch am folgenden Morgen war keine Besserung in Sicht. Wir beschlossen also die 30 Minuten Fahrt in Richtung Süden auf uns zu nehmen und hofften, dass am Bollenberg bessere Witterungsbedingungen herrschten. Auch hier war es wolkig und nass, selten jedoch lugte die Sonne zwischen den Wolken hindurch. Wir suchten erst ca. eineinhalb Stunden im bisher von uns nicht besuchten Ostteil des Gebiets, jedoch erfolglos. Also fuhren wir weiter an die Stelle, die uns beim letzten Mal so gute Funde beschert hatte, eigentlich um die Bestätigung zu haben, dass es dieses Mal definitiv zu nass-kalt war. Doch auch dieses Mal fanden wir in der halben Stunde, die uns noch blieb bis auch hier der Dauerregen einsetzte, insgesamt neun Aspisvipern, während sich die Eidechsen bereits rar gemacht hatten.

 

Die Lesesteinmauern und Rebböschungen bei Ribeauvillé bieten der Aspisviper einen ausgezeichneten Lebensraum in der Kulturlandschaft.

 

Frisch geborenes Jungtier der Aspisviper, das es sich in einem windgeschützten Sonnenfleck in einer Rebböschung bequem gemacht hatte.

 

Mit viel Vegetation überwachsene Rebböschung als Fundort des obigen Jungtieres, das sich in dem vegetationsarmen, gut besonnten Bereich aufhielt.

 

Die Westliche Sattelschrecke (Ephippigger diurnus), hier ein Männchen, singend in der Vegetation am Bollenberg.

 

Die Weibchen der Westlichen Sattelschrecke verfügen über einen gut ausgebildeten Legebohrer.

 

Habitatausschnitt aus dem Lebensraum der Westlichen Sattelschrecke im Ostteil des Bollenbergs - die Aspisviper konnten wir hier nicht nachweisen.

 

Sich sonnendes, etwa einjähriges Jungtier der Aspisviper in Aufsicht am Bollenberg.

 

Ausgewachsenes braunes Weibchen, das halb versteckt in der Vegetation die letzten Sonnenstrahlen aufnahm, bevor der Regen kam.

 

4. Trip: Ende Oktober 2019

Da der letzte Ausflug vor allem hinsichtlich Ribeauvillé nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatte, unternahm ich am 21.10.2019 alleine einen weiteren Trip ins Gebiet. Die Wettervorhersage war gemischt und als ich um 10 Uhr ankam, war der Himmel wolkenverhangen bei 12 °C Lufttemperatur. Eine Hochnebelbank, ausgehend vom Rhein, hatte sich eingenistet und schien sich in nächster Zeit auch nicht auflösen zu wollen. Nach zwei Stunden des ziemlich erfolg- und hoffnungslosen Herumirrens in den Weinbergen hatte ich gerade den Entschluss gefasst, wieder in Richtung Bollenberg aufzubrechen, als ich plötzlich den kleinen Kopf einen Aspisviper-Männchens entdeckte, der aus dem Efeu einer Mauer herauslugte. Also beschloss ich, noch etwas abzuwarten und dem Gebiet und mir eine weitere Chance zu geben. Und tatsächlich - eine halbe Stunde später konnte sich die Sonne etwas durchsetzen und die Vipernsuche erschien auf einmal nicht mehr ganz so sinnlos wie am Morgen. In den Böschungen der Weinberge unterhalb der Burg konnte ich innerhalb der nächsten Stunde sechs Aspisvipern verschiedenster Größenklassen und Färbungen finden. Damit bereits mehr als zufrieden versuchte ich nochmals mein Glück im Hang direkt oberhalb des Ortes, wo wir bei unserem ersten Besuch die zwei Aspisvipern gefunden hatten. Es war wiederum die richtige Entscheidung, denn bei sich nun immer mehr durchsetzender Sonne konnte ich dort im Laufe von eineinhalb Stunden weitere zwölf Aspisvipern nachweisen. Auffällig war, dass sowohl in Ribeauvillé als auch am Bollenberg offenbar ein gutes Mengenverhältnis zwischen Jungtieren, Subadulten und Adulttieren herrscht, während man beispielsweise im Südschwarzwald vermehrt adulte Vipern findet. Dies könnte auf gesunde Populationen mit einer guten Reproduktionsrate hinweisen und macht eine Ausbreitung in die nähere Umgebung wahrscheinlich. Die Weinbergsregionen des Elsass am Ostabhang der Vogesen dürften sowohl klimatisch als auch strukturell geeignet sein für eine Expansion der Art. Weitere Funde bei Ribeauvillé waren ein letztes Weibchen der Gottesanbeterin (Mantis religiosa) und wenige Individuen der Blauflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens).

 

Dieses kräftige Weibchen der Apsisviper sonnte sich in einer Rebböschung unterhalb der Burg.

 

In dieser Rebböschung fanden sich mehrere Exemplare der Aspisviper.

 

Weitere, sich sonnende Aspisviper mit den charakteristischen Querbalken der Nominatform.

 

Kräftig gefärbtes Individuum in einer Böschung oberhalb des Ortes.

 

Dieses etwa einjährige, auffällig hell gefärbte Jungtier lag direkt am Saum einer Teerstraße.

 

Typische Fundsituation einer sich sonnenden Aspisviper in einer Rebböschung.

 

Kräftig und auffällig gefärbtes Exemplar der Aspisviper, das sich auf einem Böschungskopf sonnte.

 

Weiterer Habitatausschnitt aus Ribeauvillé mit den charakteristischen, überwachsenen Weinbergsmauern, die als bevorzugte Aufenthaltsorte der Aspisviper dienen.

 

Von der Mauereidechse waren noch wenige Jungtiere unterwegs.

 

Auch dieses Weibchen der Gottesanbeterin (Mantis religiosa) genoss die letzten Oktober-Sonnenstrahlen.

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