Hipparchia semele (Ockerbindiger Samtfalter) (Linnaeus, 1758)

Verbreitung in Deutschland: Hipparchia semele ist in ganz Deutschland verbreitet, jedoch in fast allen Bundesländern ernsthaft gefährdet. Etwas häufiger ist die Art noch im Nordosten Deutschlands (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg) (Settele et al. 2005). Verbreitungsschwerpunkte sind hier Brandenburg, das östliche Mecklenburg-Vorpommern und das östliche Niedersachsen. In allen anderen Bundesländern bestehen nur noch sehr lokale Vorkommen, die nach und nach zu erlöschen drohen. Eine Häufung aktuellerer Nachweise findet sich beispielsweise noch im nördlichen Bayern (Rhön, Grabfeldgau, Steigerwald) und in Rheinland-Pfalz (Saar-Nahe-Bergland) (Reinhardt et al. 2020). Bundesweit gilt die Art aktuell als gefährdet (Reinhardt & Bolz 2011).

Verbreitung in Baden-Württemberg: Der Ockerbindige Samtfalter war ehemals recht weit in Baden-Württemberg verbreitet und kam etwa im Tauberland, in den Oberen Gäuen, auf der Schwäbischen Alb, im Südschwarzwald und am südlichen Oberrhein mit Kaiserstuhl vor (Ebert & Rennwald 1991b). Heutzutage ist die Verbreitung auf die Vorkommen am Kaiserstuhl beschränkt. Die Populationsentwicklung ist weiterhin stark rückläufig, die letzten Nachweise von der Ostalb datieren etwa aus dem Jahr 2005 (M. Meier, mündl.). Hier muss die Art als zwischenzeitlich erloschen gelten.

Habitatansprüche: In Baden-Württemberg besiedelt H. semele primär lückige und kurzrasige, mit Steinen und Felsen durchsetzte Halbtrockenrasen. Am Kaiserstuhl sind die Falter häufig an vegetationsarmen Abbruchkanten und Lössböschungen anzutreffen, fliegen jedoch auch über längergrasigen Trockenrasen. Am südlichen Oberrhein wurden ehemals wahrscheinlich auch lichte Waldsysteme besiedelt. Die Raupe frisst an verschiedenen Süßgräsern an xerothermen Böschungen und ähnlich exponierten Stellen (Ebert & Rennwald 1991b).

Gefährdung/Schutz: RL BW: Vom Aussterben bedroht (Ebert et al. 2005). Die fortwährend rückläufigen Bestände der einst gar nicht so seltenen H. semele lassen für die nahe Zukunft nichts Gutes für das Fortbestehen der Art in Baden-Württemberg erahnen. Aufgrund der zu geringen oder gar ausbleibenden Beweidung lückiger Halbtrockenrasen auf der Alb und im Tauberland ist die Art aus ganzen Landesteilen bereits komplett verschwunden. Auch die letzten Bastionen auf der Ostalb, die teilweise für die Berghexe (Chazara briseis) (deren Bestände hier stabiler erscheinen) gepflegt werden, sind mittlerweile alle verwaist. So bleibt als letzte Fundregion der Kaiserstuhl, wo die Vorkommen allerdings in den letzten Jahren ebenfalls beständig kleiner bzw. individuenärmer geworden sind (Online). Zum Schutz der Art müssen die Habitate mehrmals im Jahr scharf beweidet werden, um genügend xerotherme Offenstellen zu schaffen, die für die Art unbedingt notwendig sind (G. Hermann, mündl.). Auch sollten Felsen, Abbruchkanten, Rebböschungen u. ä. offen gehalten und von Sukzessionsgehölz befreit werden.

Eignung als Indikatorart: H. semele ist ein sehr guter Indikator für lückige, kurzrasige und an Offenbodenstellen reiche Trockenrasen.

Bestimmung: Der Ockerbindige Samtfalter ist aufgrund der kontrastreichen Marmorierung auf der Hinterflügel-Unterseite und der kräftig orangenen Färbung auf der Vorderflügel-Unterseite gut zu bestimmen. Aufgrund der Seltenheit der Art, die außerhalb des Kaiserstuhls ziemlich sicher landesweit erloschen ist, sollten Nachweise immer mittels Fotobeleg abgesichert werden.

Quellen für diese Seite:

Ebert, G. & E. Rennwald (Hrsg.) (1991b): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 2, Tagfalter 2. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 535 S.

Ebert, G., Hofmann, A., Meineke, J.-U., Steiner, A., R. trusch (2005): Rote Liste der Schmetterlinge (Macrolepidoptera) Baden-Württembergs (3. Fassung). In: Ebert, G. (Hrsg.): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 10, Ergänzungsband. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 110-133.

Reinhardt, R. & R. Bolz (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Tagfalter (Rhopalocera) (Lepidoptera: Papilionoidea et Hesperioidea) Deutschlands. In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands - Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). -  Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 167-194.

Reinhardt R., Harpke A., Caspari, S., Dolek, M., Kühn, E., Musche, M., Trusch, R., Wiemers, M. & J. Settele (Hrsg.) (2020): Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands. - Ulmer Verlag (Stuttgart), 428 S.

Settele, J., Steiner, R., Reinhardt, R. & R. Feldmann (2005): Schmetterlinge - Die Tagfalter Deutschlands. Ulmer Verlag (Stuttgart), 256 S.

 

Ein Ockerbindiger Samtfalter (Hipparchia semele) am Kaiserstuhl (NSG Badberg), September 2010.

 

Weiterer Ockerbindiger Samtfalter vom Kaiserstuhl (Bischoffingen), August 2011.

 

Habitat von H. semele am Kaiserstuhl (NSG Badberg): Langgrasiger, aber dennoch lückiger Trockenrasen.

 

Relativ lichter Hangwald am Kaiserstuhl (Totenkopf), hier hielt sich ein Männchen von H. semele auf, angrenzend Halbtrockenrasen.

 

Schematische Verbreitung von H. semele in Baden-Württemberg:

Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen

Grauer Bereich: Ehemalige Vorkommen (letztes Nachweisdatum)

Schwarze Punkte: Eigene Nachweise Stand 2022

Hipparchia fagi, Hipparchia semele, Brintesia circe, Chazara briseis, Arethusana arethusa, Coenonympha pamphilus, Coenonympha arcania, Coenonympha glycerion, Coenonympha hero, Coenonympha tullia, Aphantopus hyperantus, Maniola jurtina, Pyronia tithonus, Pararge aegeria, Lasiommata megera, Lasiommata maera, Lasiommata petropolitana, Erebia aethiops, Erebia ligea, Erebia medusa, Erebia meolans, Minois dryas, Melanargia galathea, Lopinga achine                                                  

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