Boloria selene (Braunfleckiger Perlmutterfalter) (Denis & Schiffermüller 1775)
Verbreitung in Deutschland: Boloria selene ist relativ gleichmäßig über ganz Deutschland verbreitet, jedoch mittlerweile in vielen Bundesländern gefährdet (Settele et al. 2005). Gerade im Norden Deutschlands wechseln sich aktuelle und bereits ältere Nachweise ab, was auf einen rezenten Rückgang schließen lässt. Im Süden Deutschlands wird die Verbreitung geschlossener mit flächendeckenden Vorkommen etwa im Erzgebirge (Sachsen), in Rheinland-Pfalz und im Alpenvorland (Reinhardt et al. 2020). Bundesweit steht die Art aktuell auf der Vorwarnliste (Reinhardt & Bolz 2011).
Verbreitung in Baden-Württemberg: Nachweise von B. selene liegen für alle Großräume Baden-Württembergs vor. Hohe Nachweisdichten bestehen noch in Oberschwaben und im Südschwarzwald. Die ehemals großen Populationen im Albvorland (Schönbuch und Rammert) sind zwischenzeitlich stark zurückgegangen. Zudem existieren Belege für die Schwäbische Alb mit Baaralb, die Keuperwaldberge, das Tauberland oder den nördlichen Oberrhein (Ebert & Rennwald 1991a). Außerhalb der Verbreitungszentren mit mageren Feuchthabitaten ist die Art mittlerweile stark rückläufig, da sie dort meist auf seltener werdende Lichtwaldhabitate angewiesen ist. Kaum noch aktuelle Nachweise sind für den nördlichen Teil Baden-Württembergs (Nordschwarzwald, nördliche Oberrheinebene, Kraichgau, Neckarbecken, Schurwald und Welzheimer Wald, Tauberland) verzeichnet.
Habitatansprüche: Der Braunfleckige Perlmutterfalter besiedelt ein weites Spektrum an Biotopen, so z. B. Kahlschläge, Sturmwürfe, Lichtungen und breite, offene Wegränder innerhalb von Wäldern, aber auch Niedermoore, Streuwiesen, feuchtere Magerrasen und Hochmoorränder. Wichtig ist ein Vorkommen der Wirtspflanzen, verschiedene Veilchen-Arten (Viola spp.), z. B. Sumpf-Veilchen (Viola palustris) (Ebert & Rennwald 1991a). Außerhalb Oberschwabens ist B. selene eine typische Lichtwaldart, die vor allem auf eher großflächigen und feuchteren Kahlschlägen und Sturmwürfen vorkommt. Im Gegensatz dazu ist sie in Oberschwaben eine der stetigsten Arten in den Niedermoorgebieten und noch in vielen Streuwiesen nachweisbar. Die Struktur der Larvalhabitate - Veilchen-Arten in möglichst lückiger und niedrigwüchsiger Vegetation - ist jedoch in diesen beiden unterschiedlichen Lebensraumtypen wiederum sehr ähnlich.
Gefährdung/Schutz: RL BW: Gefährdet (Ebert et al. 2005). B. selene ist in Baden-Württemberg gefährdet aufgrund der Entsaumung der Wälder und der Dunkelwaldwirtschaft ("naturnaher Waldbau"). Auch die Feuchthabitate gehen durch Intensivierung und/oder Eutrophierung zunehmend verloren. Zum Schutz der Art muss vor allem wieder zu einer offeneren Waldnutzungsform zurück gekehrt werden. Wichtig wären in diesem Zusammenhang die Förderung dynamischer Prozesse im Wald (Kahlschläge, Nieder- und Mittelwaldnutzung) sowie die Anlage breiter Waldwegsäume.
Eignung als Indikatorart: B. selene ist ein guter Indikator für lichte Waldsysteme und magere, extensiv genutzte Feuchthabitate.
Bestimmung: Der Braunfleckige Perlmutterfalter kann vor allem mit dem Silberfleck-Perlmutterfalter (Boloria euphrosyne) verwechselt werden. Von ihm unterscheidet er sich oberseits durch die mehr pfeilförmigen Randflecken und aufgrund des Vorhandenseins eines schwarzen Flecks auf der Hinterflügel-Oberseite. Dieser schwarze Fleck findet sich noch ausgeprägter auf der Flügelunterseite, hier sind außerdem die Punktreihe und die Pfeilflecken schwarz gesäumt.
Quellen für diese Seite:
Ebert, G. & E. Rennwald (Hrsg.) (1991a): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 1, Tagfalter 1. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 552 S.
Ebert, G., Hofmann, A., Meineke, J.-U., Steiner, A., R. trusch (2005): Rote Liste der Schmetterlinge (Macrolepidoptera) Baden-Württembergs (3. Fassung). In: Ebert, G. (Hrsg.): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 10, Ergänzungsband. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 110-133.
Reinhardt, R. & R. Bolz (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Tagfalter (Rhopalocera) (Lepidoptera: Papilionoidea et Hesperioidea) Deutschlands. In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands - Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). - Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 167-194.
Reinhardt R., Harpke A., Caspari, S., Dolek, M., Kühn, E., Musche, M., Trusch, R., Wiemers, M. & J. Settele (Hrsg.) (2020): Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands. - Ulmer Verlag (Stuttgart), 428 S.
Settele, J., Steiner, R., Reinhardt, R. & R. Feldmann (2005): Schmetterlinge - Die Tagfalter Deutschlands. Ulmer Verlag (Stuttgart), 256 S.
Braunfleckiger Perlmutterfalter (Boloria selene) auf einer mageren Wiese im Albvorland (NSG Schaichtal), Juli 2008.
Weiterer Braunfleckiger Perlmutterfalter auf einer Freifläche im Wald in den Oberen Gäuen (Sindelfingen-Dagersheim), Mai 2011.
Zwei weitere B. selene an Sumpf-Kratzidstel saugend im Albvorland (NSG Schaichtal), Juli 2008.
Flügelunterseite eines ruhenden B. selene in Oberschwaben (Kißlegg), Mai 2014.
Flügelunterseite von B. selene mit kennzeichnendem schwarzen Fleck in Oberschwaben (Baltringen), Juni 201.
Kopula von B. selene in Oberschwaben (NSG Gemsenweiher), August 2013.
Von einer Krabbenspinne erlegtes Exemplar von B. selene in Oberschwaben (Tettnang), August 2009.
Larve von B. selene auf einer großen Offenfläche in den Oberen Gäuen (Sindelfingen-Dagersheim), April 2017.
Typisches Habitat von B. selene, offene und besonnte Freifläche im Wald hier in den Oberen Gäuen (Sindelfingen-Dagersheim).
Habitat von B. selene im Schönbuch (Dettenhausen); die Wiese im Vordergrund dient als Nektarhabitat, die Reproduktion findet wahrscheinlich in den Hiebsflächen im Hintergrund statt.
Kahlhiebsfläche in Oberschwaben (Illertal) als Lebensraum des Braunfleckigen Perlmutterfalters.
In den oberschwäbischen Streuwiesen - wie hier im NSG Gemsenweiher - ist der Braunfleckige Perlmutterfalter noch weit verbreitet.
Extensiv genutzte Feuchtwiese im Südschwarzwald (Hinterzarten) als Habitat von B. selene.
Larvalhabitat des Braunfleckigen Perlmutterfalters mit Veilchen-Vorkommen in den Oberen Gäuen (Sindelfingen-Dagersheim).
Schematische Verbreitung von B. selene in Baden-Württemberg:
Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen
Schwarze Punke: Eigene Nachweise Stand 2022
Aglais io, Aglais urticae, Nymphalis c-album, Nymphalis polychloros, Nymphalis antiopa, Araschnia levana, Vanessa atalanta, Vanessa cardui, Limenitis camilla, Limenitis populi, Limenitis reducta, Apatura iris, Apatura ilia, Argynnis paphia, Argynnis niobe, Argynnis adippe, Argynnis aglaja, Issoria lathonia, Melitaea athalia, Melitaea aurelia, Melitaea britomartis, Melitaea diamina, Melitaea phoebe, Melitaea parthenoides, Melitaea didyma, Melitaea cinxia, Boloria eunomia, Boloria selene, Boloria thore, Boloria titania, Boloria dia, Boloria aquilonaris, Boloria euphrosyne, Brenthis daphne, Brenthis ino, Euphydryas aurinia, Euphydryas maturna