Limenitis populi (Großer Eisvogel) (Linnaeus, 1758)
Verbreitung in Deutschland: Limenitis populi war ehemals weit in Deutschland verbreitet, hat jedoch im Laufe der vergangenen Jahrzehnte vor allem die tieferen Lagen fast vollständig geräumt. Verbreitungsschwerpunkte finden sich in den Mittelgebirgen, beispielsweise im Harz, im Erzgebirge, im Fichtelgebirge, in der Rhön, im Hunsrück, im Bayerischen Wald oder auch im Schwarzwald (Settele et al. 2005, Hermann 2007, Reinhardt et al. 2020)). Im kontinental geprägten Osten Deutschlands kann die Art auch noch in tieferen Lagen gefunden werden, bekannt als gutes Fundgebiet für den Großen Eisvogel ist beispielsweise der Zeitzer Forst in Sachsen-Anhalt. Bundesweit wird die Art aktuell als stark gefährdet eingestuft (Reinhardt & Bolz 2011).
Verbreitung in Baden-Württemberg: Ursprünglich war der Große Eisvogel weit in Baden-Württemberg verbreitet. Verbreitungsschwerpunkte stellten der Schwarzwald, das Albvorland mit Schönbuch und Glemswald, die Keuperwaldberge und das Tauberland dar. Weiterhin wurde die Art regelmäßig am nördlichen Oberrhein, am Kaiserstuhl, auf der Schwäbischen Alb und im nördlichen Oberschwaben (z. B. Federseebecken) nachgewiesen. Größere Nachweislücken existierten im Westallgäuer Hügelland, im Bauland und im Odenwald (Ebert & Rennwald 1991a). In heutiger Zeit liegen regelmäßige Nachweise mit gesicherter Reproduktion nur noch aus dem südlichen Schwarzwald vor. Alle anderen Populationen müssen als erloschen angesehen werden (Hermann 2005). Die vereinzelten Streufunde aus anderen Regionen (z. B. nördlicher Schwarzwald, Keuperwaldberge, Tauberland) stellen mit Sicherheit keine reproduktiven Populationen der Art dar oder es handelt sich um Verwechslungen mit großen Weibchen des Kleinen Eisvogels (Limenitis camilla) oder des Großen Schillerfalters (Apatura iris) (Online).
Habitatansprüche: L. populi ist ein typischer Waldschmetterling, der aber nicht an bestimmte Waldtypen gebunden ist. Grundvoraussetzung ist ein häufiges Auftreten der wichtigsten Wirtspflanze, der Zitterpappel (Populus tremula). Es werden allerdings auch Pappelhybriden (Populus x canadensis) als Wirtspflanzen genutzt. Strukturarme Wälder werden weitgehend gemieden, förderlich sind dagegen wiederkehrende Störungen in Form von Sturmwurf, Lawinen, Schneebruch oder Bergrutsch, aber auch anthropogenen Ursprungs wie Mittelwaldnutzung, Sukzessionswälder auf Truppenübungsplätzen, Waldwegränder und Leitungstrassen (Hermann 2007). Die Larvalhabitate befinden sich im Schwarzwald häufig an Waldaußenrändern in Nord- oder Osthanglage oder in Geländesenken mit zahlreichen alten Zitterpappeln. Vorgelagerte Brachen mit reichlich Pappelsukzession stellen optimale Larvalhabitate für die Art dar. Regional werden Forstwegränder mit zahlreichen aufwachsenden Zitterpappeln als Larvalhabitate genutzt. Die Larven bevorzugen luftfeuchte Gehölznischen, die nur mäßig oder nicht besonnt werden (Hermann 2007). Die auffälligen Kotrippen sind im Spätsommer leicht nachweisbar. Auch die Hibernacula können im Winter an luftfeuchten, schattigen Standorten vergleichsweise einfach gefunden werden. Diese Nachweismethoden sind deutlich effizienter als die Suche nach Faltern (Hermann 2007).
Gefährdung/Schutz: RL BW: Vom Aussterben bedroht (Ebert et al. 2005). Der Große Eisvogel ist in Baden-Württemberg sehr stark zurückgegangen und kommt aktuell nur noch im südlichen Schwarzwald bodenständig vor. Die kontinental verbreitete Art hat vermutlich aufgrund klimatischer Veränderungen während der letzten Jahrzehnte die tieferen Lagen vollständig geräumt. Ursächlich könnten mildere Winter (Atlantisierung) sein, da L. populi an winterkalte Regionen adaptiert ist (Hermann 2005). Allerdings spielen sicherlich auch Veränderungen in den Lebensräumen eine wichtige Rolle. Profitierte die Art etwa nach dem 2. Weltkrieg noch von der Aufforstung zahlreicher Waldwiesen mit Pappeln und heutzutage von der Sukzession auf aufgelassenen Weiden und Wiesen im Südschwarzwald, stellen die vollständige Aufgabe der Nieder- und Mittelwaldwirtschaft, die Entsaumung der Wälder und der Verlust lichter Waldstrukturen im Rahmen des "naturnahen Waldbaus" wichtige Gefährdungsfaktoren dar. Soweit der Schutz der Art nicht von den klimatischen Rahmenbedingungen abhängig ist, sollten lichte und strukturreiche Wälder mit guten Pappelvorkommen gefördert werden.
Eignung als Indikatorart: L. populi kann als Indikator winterkalter, waldreicher Regionen und strukturreicher Wälder dienen.
Bestimmung: Der Große Eisvogel kann aufgrund seiner Größe eigentlich mit keiner anderen Tagfalterart in Baden-Württemberg verwechselt werden. Trotzdem kommt es regelmäßig zu Verwechslungen, die wahrscheinlich häufig auf Flugbestimmungen zurückzuführen sind. Gerade große Weibchen des Großen Schillerfalters (Apatura iris), aber auch des Kleinen Eisvogels (Limenitis camilla) können für L. populi gehalten werden. Aufgrund der Seltenheit der Art sollten unbedingt Belegfotos gemacht werden.
Quellen für diese Seite:
Ebert, G. & E. Rennwald (Hrsg.) (1991a): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 1, Tagfalter 1. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 552 S.
Ebert, G., Hofmann, A., Meineke, J.-U., Steiner, A., R. trusch (2005): Rote Liste der Schmetterlinge (Macrolepidoptera) Baden-Württembergs (3. Fassung). In: Ebert, G. (Hrsg.): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 10, Ergänzungsband. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 110-133.
Hermann, G. (2005): Neue Beobachtungen zum Vorkommen des Großen Eisvogels (Limenitis populi) in Baden-Württemberg. In: Ebert, G. (Hrsg.): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 10, Ergänzungsband. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 43-46.
Hermann, G. (2007): Tagfalter suchen im Winter - Searching for Butterflies in Winter. - Books on Demand (Norderstedt), 224 S.
Reinhardt, R. & R. Bolz (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Tagfalter (Rhopalocera) (Lepidoptera: Papilionoidea et Hesperioidea) Deutschlands. In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands - Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). - Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 167-194.
Reinhardt R., Harpke A., Caspari, S., Dolek, M., Kühn, E., Musche, M., Trusch, R., Wiemers, M. & J. Settele (Hrsg.) (2020): Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands. - Ulmer Verlag (Stuttgart), 428 S.
Settele, J., Steiner, R., Reinhardt, R. & R. Feldmann (2005): Schmetterlinge - Die Tagfalter Deutschlands. Ulmer Verlag (Stuttgart), 256 S.
Charakteristische Kotrippe des Großen Eisvogels (Limenitis populi) im Südschwarzwald (Vöhrenbach), August 2018.
Weitere Kotrippe von L. populi im Südschwarzwald (Vöhrenbach), August 2018.
Larvalhabitat des Großen Eisvogels im Südschwarzwald (Vöhrenbach); luftfeucht wachsende Pappelsukzession in einem von der Nutzung aufgelassenen Taleinschnitt.
Schematische Verbreitung von L. populi in Baden-Württemberg:
Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen
Grauer Bereich: Ehemalige Vorkommen
Schwarze Punkte: Eigene Nachweise Stand 2022
Aglais io, Aglais urticae, Nymphalis c-album, Nymphalis polychloros, Nymphalis antiopa, Araschnia levana, Vanessa atalanta, Vanessa cardui, Limenitis camilla, Limenitis populi, Limenitis reducta, Apatura iris, Apatura ilia, Argynnis paphia, Argynnis niobe, Argynnis adippe, Argynnis aglaja, Issoria lathonia, Melitaea athalia, Melitaea aurelia, Melitaea britomartis, Melitaea diamina, Melitaea phoebe, Melitaea parthenoides, Melitaea didyma, Melitaea cinxia, Boloria eunomia, Boloria selene, Boloria thore, Boloria titania, Boloria dia, Boloria aquilonaris, Boloria euphrosyne, Brenthis daphne, Brenthis ino, Euphydryas aurinia, Euphydryas maturna