Satyrium ilicis (Brauner Eichen-Zipfelfalter) (Esper, 1779)

Verbreitung in Deutschland: Satyrium ilicis ist in ganz Deutschland verbreitet und fehlt aktuell nur im Bundesland Hamburg. Dieses Verbreitungsbild darf jedoch nicht über die Gefährdung dieser Art in Mitteleuropa hinwegtäuschen. In den meisten Bundesländern ist der Braune Eichen-Zipfelfalter mittlerweile vom Aussterben bedroht oder zumindest stark gefährdet (Settele et al. 2005). In denjenigen Bundesländern, in denen die Art nur als gefährdet eingestuft wird, muss der aktuelle Stand der Roten Liste angezweifelt werden, denn S. ilicis ist vor allem während der letzten Jahrzehnte extrem rückläufig. Nach dem Jahr 2000 belegte Nachweise sind bundesweit selten, vor allem im Norden Deutschlands. Verbreitungszentren sind Gebiete mit aktiver Nieder- und Mittelwaldnutzung wie die Hauberge im Rheinischen Schiefergebirge oder die Ausschlagswälder im südlichen Steigerwald. Eine noch etwas dichtere Besiedlung gibt es zudem im Saarland und in Rheinland-Pfalz (Reinhardt et al. 2020). Bundesweit gilt die Art aktuell als stark gefährdet (Reinhardt & Bolz 2011).

Verbreitung in Baden-Württemberg: Ehemals war der Braune Eichen-Zipfelfalter in Baden-Württemberg recht weit verbreitet und von diversen Lokalitäten bekannt. So kam die Art sowohl am südlichen als auch am nördlichen Oberrhein vor. Von dort aus erstreckten sich die Vorkommen vom Kraichgau bis in das Albvorland. Auch aus dem Tauberland, aus den Keuperwaldbergen, von der Ostalb und aus dem Bodenseebecken existierten Nachweise (Ebert & Rennwald 1991b). In der Kocher-Jagst-Region konnte die Art im Zeitraum zwischen 2017 und 2019 trotz intensiver Eisuche nicht mehr festgestellt werden (Güsten et al. 2019). Heutzutage ist S. ilicis nur noch in vier Gebieten anzutreffen. Am südlichen Oberrhein kommt er vor allem in der Grießheimer Trockenaue vor, daneben tritt die Art noch im Albvorland (Schönbuch) und auf der Ostalb (Wagner 2008) auf. 2016 gelang außerdem der Wiedernachweis im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet am Hochrhein (G. Hermann, mündl.). Nordwestlich angrenzend an Baden-Württemberg ist S. ilicis noch in Rheinland-Pfalz (Vorderpfälzer Tiefland) verbreitet. Die Vorkommen reichen hier bis an die Landesgrenze Baden-Württembergs heran, sodass ein Wiedernachweis in der nördlichen Oberrheinebene nicht unwahrscheinlich scheint (Schulte 2007).

Habitatansprüche: S. ilicis besiedelt größere Offenstellen innerhalb von Wäldern mit Vorkommen von noch jungen Eichen (Quercus spp.). Dies sind häufig Nieder- und Mittelwälder, Sturmwurfflächen oder die heute kaum mehr anzutreffenden Kahlschläge. Wichtig für die Art sind besonnt stehende, eher krüppelige, nicht zu alte und zu hohe Eichen (max. 4-6 m) (Ebert & Rennwald 1991b). Hier werden die Eier häufig bodennah an die Basis der Stämmchen gelegt, da diese durch ihre geschützte Lage und die hohen Wärmesummen mikroklimatisch günstig ist. Im Schönbuch ist der Braune Eichen-Zipfelfalter fast ausschließlich auf Lothar-Sturmwurfflächen zu finden, die in der Folge mit Eiche aufgeforstet wurden (Hermann 2021). Allerdings wachsen diese Bestände mittlerweile aus der strukturellen Eignung für S. ilicis heraus. Neu besiedelt werden dagegen gerne Eichen-Verjüngungsflächen mit sog. Eichentrupp-Anpflanzungen. Diese durch ein Drahtgitter vor Wildverbiss geschützten Anpflanzungen stellen bei Anlage auf größeren Hiebsflächen (möglichst > 1 ha) ein ideales Entwicklungshabitat für den Braunen Eichen-Zipfelfalter dar (Hermann & Magg 2020). Eine Bindung an trocken-warme (Mikro-)Klimate kann im Schönbuch nicht bestätigt werden. Die besiedelten Sturmwurfflächen sind häufig eher von einem mesothermen Klima geprägt.

Gefährdung/Schutz: RL BW: Vom Aussterben bedroht (Ebert et al. 2005). Auch S. ilicis ist eine derjenigen Arten, die unter der aktuellen Form der Waldnutzung ("naturnaher Waldbau", Verzicht auf größere Kahlschläge) extrem leiden. Hierdurch gehen die besonnten und offenen Eichenbestände verloren und entstehen durch den Kahlschlag-Verzicht auch nicht mehr neu. Die durch die Stürme Wiebke und Lothar entstandenen Sturmwurfflächen wachsen mehr und mehr zu und befinden sich mittlerweile großteils bereits außerhalb der Eignung für S. ilicis (Hermann 2021). Zum Schutz der Art müssen traditionelle Waldbewirtschaftungsformen (Nieder-, Mittel- und Hudewaldwirtschaft) stärker gefördert und die Wälder allgemein wieder lichter und strukturreicher gestaltet werden (vgl. Hermann & Steiner 2000). Eine gute Chance zum Erhalt der Art in eichendominierten Wäldern ist die Einrichtung von Eichen-Verjüngungsflächen (Kahlhiebe etwa auf ehemaligen Fichtenschonungen) und die Anpflanzung von Eichentrupps, die mit Zäunen (keine Plastikhüllen) gegen Wildverbiss geschützt werden. Geeignete Habitate für den Braunen Eichen-Zipfelfalter müssen im Sinne des Metapopulationsprinzips regelmäßig neu entstehen und in einem zeitlich-räumlichen Kontext existieren (Hermann 2021).

Eignung als Indikatorart: S. ilicis ist ein sehr guter Indikator für lichte Waldstrukturen und Nieder- und Mittelwälder.

Bestimmung: Der Braune Eichen-Zipfelfalter verfügt nicht über Silberflecken auf der Flügelunterseite. Dies unterscheidet ihn von den meisten anderen Zipfelfaltern, ähnlich ist der Ulmen-Zipfelfalter (Satyrium w-album), der allerdings eine w-förmige Zeichnung auf der Hinterflügelunterseite besitzt.

Quellen für diese Seite:

Ebert, G. & E. Rennwald (Hrsg.) (1991b): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 2, Tagfalter 2. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 535 S.

Ebert, G., Hofmann, A., Meineke, J.-U., Steiner, A., R. trusch (2005): Rote Liste der Schmetterlinge (Macrolepidoptera) Baden-Württembergs (3. Fassung). In: Ebert, G. (Hrsg.): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 10, Ergänzungsband. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 110-133.

Güsten, R., Sanetra, M. & R. Trusch (2019): Bläulinge (Lepidoptera: Lycaenidae) im Einzugsgebiet von Jagst und Kocher - Verbreitung, Ökologie und Vorschläge zur Schutzmaßnahmen. - Carolinea 77: 93-144.

Hermann, G. (2021): Schaden Kahlschläge und andere "Desaster" der Biodiversität im Wald? Erkenntnisse aus umfangreichen Daten zur Tagfalter- und Widderchenfauna aus zwei Naturräumen. - Artenschutz und Biodiversität 2 (3): 1-46.

Hermann, G. & N. Magg (2020): Schutzprojekt für einen Lichtwald-Tagfalter. - In: Trautner, J. (Hrsg.): Artenschutz - Rechtliche Pflichten, fachliche Konzepte, Umsetzung in der Praxis. - Ulmer-Verlag (Stuttgart), 238-241.

Hermann, G. & R. Steiner (2000): Der Braune Eichen-Zipfelfalter in Baden-Württemberg: Ein Beispiel für die extreme Bedrohung von Lichtwaldarten. - Naturschutz und Landschaftsplanung 32 (9), 271-277.

Reinhardt, R. & R. Bolz (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Tagfalter (Rhopalocera) (Lepidoptera: Papilionoidea et Hesperioidea) Deutschlands. In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands - Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). -  Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 167-194.

Reinhardt R., Harpke A., Caspari, S., Dolek, M., Kühn, E., Musche, M., Trusch, R., Wiemers, M. & J. Settele (Hrsg.) (2020): Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands. - Ulmer Verlag (Stuttgart), 428 S.

Schulte, T. (2007): Brauner Eichen-Zipfelfalter - Satyrium ilicis (Esper, 1779). In: Schulte, T., Eller, O., Niehuis, M. & E. Rennwald (2007): Die Tagfalter der Pfalz, Band 1. - Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beiheft 37: 249-252.

Settele, J., Steiner, R., Reinhardt, R. & R. Feldmann (2005): Schmetterlinge - Die Tagfalter Deutschlands. Ulmer Verlag (Stuttgart), 256 S.

Wagner, W. (2008): Neue Erkenntnisse zur Schmetterlings- und Heuschreckenfauna der Ostalb (Lepidoptera, Ensifera et Caelifera). - Carolinea 66, 105-134.

 

Männchen des Braunen Eichen-Zipfelfalters (Satyrium ilicis) auf einer Sturmwurffläche im Albvorland (Schönbuch), Juni 2018.

 

Ei von Satyrium ilicis an einem kleinen, besonnt stehenden Eichenbusch im Albvorland (Schönbuch), Januar 2022.

 

Weiteres - jedoch parasitiertes (seitliche Ausschlupfstelle) - Ei des Braunen Eichen-Zipfelfalters im Albvorland (Schönbuch), Januar 2014.

 

Typische Fundsituation eines Eis an einem kleinen Eichenstamm im Albvorland (Schönbuch), Januar 2023.

 

Habitat von S. ilicis im Albvorland (Schönbuch): Südexponierte Wegböschung im Wald mit niedrigwüchsiger Eichen-Sukzession.

 

Dieselbe Fundstelle wie in vorigem Bild im Sommer zur Flugzeit. S. ilicis war als Falter allerdings nicht aufzufinden.

 

Noch offene Sturmwurffläche mit vereinzelten Eichenbüschen als Reproduktionshabitat von S. ilicis im Albvorland (Bebenhausen).

 

Mit Eichen aufgeforstete Sturmwurffläche im Schönbuch (Weil i. S.), die Eichen wachsen mittlerweile aus der optimalen Eignung für S. ilicis heraus.

 

Frische Kahlfläche mit einigen Kleinzäunen als neu besiedeltes Habitat des Braunen Eichen-Zipfelfalters im Albvorland (Schönbuch).

 

Gegen Wildverbiss eingezäunte Eichentrupp-Anpflanzungen auf einem Kahlhieb bieten gute Entwicklungsbedingungen für den Braunen Eichen-Zipfelfalter.

 

Mikrohabitat im Albvorland (Schönbuch): Besonnt stehende, kleine Eiche.

 

Stockausschläge einer gefällten Eiche im Schönbuch (Waldenbuch) als Eiablagehabitat von S. ilicis.

 

Schematische Verbreitung von S. ilicis in Baden-Württemberg:

Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen

Grauer Bereich: Ehemalige Vorkommen (letztes Nachweisdatum)

Schwarze Punkte: Eigene Nachweise Stand 2022

Hamearis lucina, Callophrys rubi, Thecla betulae, Favonius quercus, Satyrium acaciae, Satyrium ilicis, Satyrium w-album, Satyrium spini, Satyrium pruni, Lycaena helle, Lycaena phlaeas, Lycaena dispar, Lycaena virgaureae, Lycaena tityrus, Lycaena alciphron, Lycaena hippothoe, Cupido minimus, Cupido osiris, Cupido argiades, Celastrina argiolus, Pseudophilotes baton, Glaucopsyche alexis, Phengaris alcon, Phengaris rebeli, Phengaris arion, Phengaris teleius, Phengaris nausithous, Plebejus argus, Plebejus idas, Plebejus argyrognomon, Aricia agestis, Aricia artaxerxes, Eumedonia eumedon, Agriades optilete, Cyaniris semiargus, Polyommatus damon, Polyommatus dorylas, Polyommatus amandus, Polyommatus thersites, Polyommatus icarus, Polyommatus daphnis, Lysandra coridon, Lysandra bellargus                                                     

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